SYMBOLIK DER STADT WIEN

 

 

Dr. Janko Janeff

 

 

 

 

 

 

Drei deutsche Staedte verbinden den Suedosten mit Europa und mit der Geschichte des Geistes: Weimar, Muenchen und Wien. Es sind symbolische Staedte. In ihnen begegnen sich zwei Welten, durchbringen und befruchten sich zwei Seelen im Zeichen eines gemeinsamen Suchens.

In diesen Staedten werden Europa und der Suedosten geahnt. Beide werden hier verbunden und versoehnt. Durch Andacht, nicht durch politisches Bewusstsein ist diese Begegnung bedingt. Sie wurzelt tief in der Sehnsucht nach Einheit der Voelker und der Bejahung ihrer geschichtlichen Berufung.

Weimar ist die Stadt, wo der Balkan fuer Europa entdeckt und wo zum ersten Male die Stimme seines Genius vernommen und verstanden wurde. Kein anderer als Goethe war es, der den Balkan aus dem nordisch geschauten Urzusammenhang der Voelkersagen in die Weltgeschichte einfuehrte. In Weimar sah Goethe den ersten balkanischen Menschen. Hier ereignete sich ein deutsches Mysterium: die Ahnung, dass die Volkslieder des Balkans mit denjenigen des germanischen Nordens verwandt seien.

Muenchen ist die Stadt des Philhellenismus und der ersten Suedostbewegnung in Europa, die der Tiroler Fallmerayer hervorrief. Von hier aus ging die erste, im Geiste der Romantik unternommene und erlebte Balkanwanderung. Hier keimte ein grosserа Gedanke: die Wiederbesinnung des Abendlandes auf die voelkische Urtuemlichkeit des Suedostens, des ФOrientsФ, wo noch Natur und Einsamkeit den Menschen behueteten.

Die Stadt Wien blieb waehrend der letzten zwei Jahrhunderte die eigentliche Weltstadt, die Metropole am Rande zwischen Morgenland und Abendland, die den suedoestlichen Menschen immer wieder an sich zog. Mit der Abwehr gegen den asiatischen Einbruch verbunden, behielt diese Stadt ihre Bedeutung als Verbindungsstaette des Balkans mit der Mitte des Erdteils. Viel Blut stroemte hier vom Suedosten ein Hier endet die Landschaft des balkanischen Berglandes; die dunklen Gebirgsgipfel des Balkans verschwinden hier, Das Drohende verhallt und wird still. Von Wien aus zieht die helle und ruhige Linie des Abendlandes nach dem Sueden und Osten.

Der Geist Europas ist es, der von dieser Stadt aus ueber die Donau nach Suedenа bis zu den Gestaden des Aegaeischen Meeres hinunterstroemte und die Voelker an das Bestehen der Weltgeschichte erinnerte. Von hier aus schaute Jakob Grimm die balkanische Welt, Ranke verfolgte in Wien den Aufruhr der Bauernvoelker jenseits des Donaustroms, und von hier hat auch Habsburg seinen Weg nach der Hagia Sophia zu bahnen gesucht. In Wien sammelten sich die ersten Freiheitskaempfer aus Moldau und Wallachei; Rigas Ferreos, der griechische Dichter, verkuendete hier den Aufstand seines Volkes gegen die Tuerken. Hier hat er auch seine erste Botschaft an das griechische Volk im Jahre 1797 gedruckt. Gleichzeitig verbreiteten sich von Wien aus die Ideen Herders durch den Slowenen Kopitar, durch die Brueder Grimm und Friedrich Schlegel nach dem Suedosten und staerkten den nationalen Kampf der Unterjochten.

Hier wirkten die ersten Deutschen, die sich bemuehten, die balkanischen Sprachen zu lernen. Ihr Blick war der Blick Europas, nach dem Balkan gerichtet. Eine gewaltige deutsche Stroemung setzte in Wien ein, die sich weit suedlich der Donau und der Save bis zu der Aegaeis ausbreitete. Kronstadt und spaeter der untere Donauraum und ganz zuletzt Bosnien waren die Hauptorte der deutschen Suedostkolonisation, hervorgerufen durch den Drang nach Abwehr der bedrohten deutschen Staemme und Fuersten, wo sie bis heute die baeuerlichen Voelker Europas zwischen Nordsee und der Adria verbinden.

Wien war die Stadt, welche diese Verbindungslinie moeglich maechte. Bis heute bleibt sie die Mitte, wo sich balkanische und deutsche Menschen friedlich begegnen.

Es ist die Stadt, die den Suedosten ueberstrahlt und die einzige europaeische Stadt, die der Suedosten grenzenlos liebt. Waehrend sie bis jetzt mehr eine Grenzstadt war, die letzte Hochburg des ausklingenden abendlaendischen Raumes, wird sie nun zum Mittelpunkt neuer schoepferischen Begegnungen und wird die Verwandlung vollziehen, durch die der Balkan in die eigentliche Zone des Europaeertums eingeht. Durch die Donau wird diese Stadt ewig in Beruehrung mit dem gesamten suedoestlichen Blutbereich bleiben. Dieser Beruehrung ist zu verdanken, dass das Gesicht der Donaustadt bis jetzt jung geblieben ist. Wien ist die schoenste Stadt des Deutschen Reiches, gerade weil sie ihre Jugendkraft erhalten hat und stets in der Lage ist, diese aus dem benachbarten Suedosten zu erneuern.

Es gibt keine andere europaeische Grossstadt, die wie die Stadt Wien, an der Schwelle zwischen weltgeschichtlicher Mission und dem Reichtum schoepferischer Lebenskraefte atmend, von dem Lebensstrom eines elementaren Bauerntums beruehrt wird, keine andere Stadt, die germanisch und suedoestlich zugleich ist, die bunte Farbenpracht einer ursprungsnahen Welt aufnehmend, und die innerlich souveraen und koeniglich dasteht. Diese Stadt ist gleichzeitig gross und klein, offen und einsam, sie zeigt das Antlitz des Grossstaedtischen, das sich aber stets in der trunkenen Melodie des Lebens aufloest, so dass sie niemals das Zeichen des Untergangs traegt und das Verhaengnis der Ermuedung. Darum ist Wien die Stadt Europas und die Stadt des Suedostens. Sie umarmt die Landschaft und den Schicksalsraum an den anderen Ufern der Donau und laesst sich von der Sehnsucht dieses Raumes umwehen. Sie trennt nicht, sie vereinigt; sie ist die Stadt, in der sich die Voelker treffen und verbruedern; ihr Strom, Die Donau, versoehnt das Abendland mit dem Suedosten.

In allen anderen europaeischen Grossstaedten herrscht meistens das Bild des Gleichen und Gewordenen. Wien atmet und bewegt sich ewig. Sie empfaengt den Menschen, bindet ihn an ihren Rhithmus, befreit ihn von dem Gesetz der Erstarrung, durchbricht die Mauern, die ihn umringen, fuehrt ihnauf den Zustand der Unmittelbarkeit und Kindlichkeit zurueck, den Geist inа Spiel und Klang auflockernd. Es ist einzige Stadt des Kontinentes, die einen Geniusа in sich birgt, und die Stadt der Freiheit. Ihre Linien sind nicht streng, sie wirken nicht malerisch, sie sind nicht bizarr oder impresionistisch gepraegt, sie besitzen weder das Pathos des Gotischen, die Melancholie oder die sinnlich schoene Formwirkung der romantischen Stadt, der Tiefe und Vereinsamung fehlt. Es ist ein Ort der Kreuzung der Weltstroeme der Geschichte und des Lebens, die Stadt, die sich nicht abschliesst und die nicht erstarrt in der Monumentalitaet des Klassischen und der marmornen Kaelte.

Diese Stadt durstet nach Natur, ihre Waerme umhaucht Europas Antlitz.

Von Wien gehen alle Wege nachа demа Suedosten aus und alle Wege des Suedostens muenden in es ein.а Wie ein Turm erhebt sie sich am Rande der balkanischen Bergwelt. Von hier aus neigt sich Europa ueber diese Welt. Wien birgt keine Gefahr fuer den Suedosten, es verstaedtert ihn nicht, bindet ihn nicht an der Kult der Phrase, des Atoms oder des Kapitals. Es ist die einzige Grossstadt, die auf den Balkan nicht grossstaedtisch wie Paris oder London oder gar wie Berlin einwirkt. Der Balkanmensch bleibt in Wien Bauer. Heimatlich erlebt er hier Europa; ohne sich zu wehren, gibt er sich ihrer Welt hin und bewahrt gleichzeitig seine Art und seine Staerke.

Kein entbaeurlichender und intellektualistischer Zug geht von Wien aus nach Ost und Sued. Die abstrakten Lebens- und Kulturformen auf dem Balkan sind nicht durch die Verbindung mit Wien entstanden. Vielmehr hat diese ostmaerkische Stadt das unmittelbare balkanische Gefuehl gestaerkt und es immer bejaht. Es sind stets lebendige Beruehrungen, landschaftliche Durchdringungsmomente, welche die Donau hervorruft. Wien schuetzt das urtuemliche Gesicht des Balkaneuropa, seine voelkische Einfalt.

Nur deshalb konnte sich auch von hier aus die Hinkehr des deutschen Geistes zu den balkanischen Vokstuemern in einer so entscheidenden Weise vollziehen.

 

II.

 

 

Durch diese symbolische Deutung der Stadt Wien in ihren Beziehungen zu den Ursprungsbereichen der suedoestlichen Voelker beruehren wir zum Schluss unserer Betrachtungen den lebendigen Grund, auf dem jene Einheit von Europa und dem Suedosten beruht, die bis jetzt den natuerliche Verlaufder Geschichte bedingte und die immer bestand, obwohl das machtpolitische , religioese oder wirtschaschtlich bedingte Bewusstsein den dynamischen Sinn dieser Einheit oft zu zerstoeren drohte. Auch in den Perioden das gewaltigsten Ausdruck des imperial bedingten Bewusstsein, verankert meistens in der Vorstellungweltkaiserlicher Glaubensherrschaft , blieb die eurpaeisch-suedoestliche Einheit durch die Stadt Wien aufrechterhalten, und zwar nicht auf Grund politischer oder anderer Zielsetzungen,sondern nur durch unbewusste, natuerliche Bestrebungen und Sehnsuechte, in denen sich allein das geheime Fluidum zwischen wesensverwandten Voelkern aeussert.

Wir haben hier nicht die Idee der Eingliederung des suedoestlichen Lebensraumes in der mitteleuropaeischen Machtsphaere vor Augen; wir denken an die Kraft , an den goettlich wirkenden Geist, der in den Tiefenа der Voelker lodert und sich in gegenseitiger Beruehrung und Berruchtung ausdruekt und der imstande ist, Welten, auch wenn sie verschiedene nationale Struktur aufweisen , miteinander zu verbindenа und zu versoehnen. Es ist eine grosse Tatsache im Zeichen weltbindender Zusammenhaenge, die sich hier offenbart, den Balkan wirklich aus seiner Vereinsamung befreit und ihn mit dem Gang der grossen Geschichte verbindet, mit jener Mitte der Fuehrung, die wir Europa nennen. Vor allem durch Wien loest sich der Balkan von seiner geschichtslosen Ohnmacht und gewinnt Bedeutung nicht nur als Quelle lebentragender Kraefte, sondern auch als ein wichtiger Bestandteil der europaeischen Einheit; gleichzeitig wird dadurch auch seine eigene Berufung klar. Diese Berufung des Balkans drueckt sich darin aus, dass er in seiner wuchsechten Ursprungsfuelle ein Wall Europas bleiben muss, die Festung, die den Erdteil gegen das Eindringen blutfremder und rassenzersetzender Maechte schuetzt.

аEuropa kann ruhig bestehen, solange es einen starken und baeuerlichen Suedosten gibt.

Und immer wieder wird sich Europa seinem suedoestlichen Grenzraum zuwenden, wie der Suedosten sich immer an seine weltgeschichtliche Bedeutung erst durch die Bindung an das Symbolа des Kontinentalen erinnern wird. Alte Wege des Leidens, des Kampfes und Stuerme des Schicksals verbinden diese Welten fuer immer.

 

 

 

Quelle:

Janeff, Janko. Suedosteuropa und der deutsche Geist. Theodor Fritsch Verlag, Berlin, 1943

 

 

 

Herausgeber und Verleger: Dulo Gesellschaft, Forschungs- und Lehrgemeinschaft fuer die arische Kultur e.V., Postfach 9, BG-7006 Russe, Bulgarien

 

Erscheinenа 2003а in derа Dulo Gesellschaft Rustschuk Bulgarien.

 

Schriftleitung: Dr. Atanass Marinov und Anton Ratschev, Russe, Bulgarien.

 

ePost: akfdbul@hotmail.com

 

Internetz: www.kanatangra.wallst.ru

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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